Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, die Techsylvania in Cluj zu besuchen – eine der größten IT-Messen Osteuropas. Wie auf vielen Konferenzen stand auch hier Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt. Besonders hängen geblieben ist mir der Vortrag von Anurag Mendhekar, Co-Founder von Paper Culture, in dem er erklärte:
„The big trend: The cost of software engineering has dropped by 1,000×.“
Diese kühne Aussage mag überspitzt wirken, doch sie wirft eine wichtige Frage auf: Wie verändert KI das Nearshoring, also das Auslagern von Delivery Center oder Shared Service Centern in Osteuropa?
Osteuropa war lange Zeit eine beliebte Nearshoring-Destination für Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Kombination aus wettbewerbsfähigen Stundensätzen, sehr guten Englischkenntnissen, kultureller Nähe und einem großen Talentpool hat den Standort besonders attraktiv gemacht. Entwicklerhonorare lagen oft um den Faktor zwei bis drei unter jenen in Westeuropa und garantierten dennoch hohe Qualität.
Doch die rasante Entwicklung intelligenter Tools verändert die Spielregeln. Automatisierte Code-Generierung, KI-gestützte Tests und optimierte DevOps-Pipelines übernehmen viele Routineaufgaben, die bisher an Nearshore-Teams gingen. Damit schrumpft der klassische Kostenvorteil. Gleichzeitig entstehen neue Aufwände: Unternehmen investieren in leistungsfähige KI-Infrastruktur und suchen nach Fachkräften, die Machine Learning-Pipelines managen und Architekturen für AI-gestützte Anwendungen entwerfen.
Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Nearshoring-Anbieter in Osteuropa müssen sich weiterentwickeln und verstärkt in Upskilling investieren. Aus reinen „Code-Fabriken“ werden Innovationszentren, in denen Experten zusammen mit den Kunden an datengetriebenen Lösungen und Forschungsthemen arbeiten. Wer jetzt auf spezialisierte KI-Services setzt – sei es in FinTech-Anwendungen, Cybersecurity oder digitalen Zwillingen – legt den Grundstein für langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
Die Frage, ob KI billiger ist als Nearshoring, ist komplex. KI reduziert den Arbeitskostenanteil erheblich, führt aber auch neue Kostenstrukturen ein. Die Zukunft des IT-Nearshoring in Osteuropa ist keine der Obsoleszenz, sondern der Transformation. Statt sich am Stundensatz zu orientieren, gilt es, Resultate und Time-to-Market in den Fokus zu rücken. Outcome-basierte Verträge und gemeinsame F&E-Projekte sind der Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und den nächsten Innovationsschub zu ermöglichen.
Für DACH-Unternehmen, die Nearshoring-Services anbieten, heißt das: Jetzt mutig Pilotprojekte mit Generative AI anstoßen, Mitarbeiter gezielt für KI-Rollen weiterbilden und Partnerschaften auf Augenhöhe etablieren. So wird aus der Herausforderung der KI-Revolution eine Chance, den Vorsprung auszubauen.
Ich freue mich auf Eure Erfahrungen und Meinungen: Wie seht Ihr die Zukunft von Nearshoring in Zeiten von KI?
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